TTIP: Bedrohung durch das Freihandelsabkommen bis in den Garten

In diesem Artikel will ich wieder einmal politisch werden, denn die Politik will mehr denn je unsere Welt wie wir sie kennen nachhaltig verändern. Das betrifft uns als Gärtner und Pflanzenliebhaber, aber auch als Menschen und Umweltschützer. Es ist uns ein dringendes Anliegen, dass dieser Artikel möglichst viele Menschen erreicht und aus ihnen zumindest kurzfristig Aktivisten im Sinne der Umwelt und unserer Zukunft macht.

Schon seit einiger Zeit hängt ein Damoklesschwert schwer über der Europäischen Union und kaum einem scheint es bewusst zu sein. Dass sich Lobbyisten aller erdenklicher Konzerne in Brüssel und Straßburg einnisten um noch mehr Einfluss auf die EU-Regierung zu haben, sollte inzwischen aber bekannt sein. Der Handel hat die EU bereits fest im Griff, denn Regulierungen für Normgemüse bis zu Saatgut fallen keineswegs den Politikern selbst ein. Den Handelsvertretern und Konzern-Lobbyisten haben wir viele Regulierungen zu verdanken, über die wir uns manchmal nur wunden, oft aber auch richtig ärgern.

Europas Regulierungswahn bis in den Garten

Vieles in Europa ist reguliert und das ist auch gut so, doch bei Lebensmitteln ist große Vorsicht geboten und bei Lebewesen sollte man mit allen Regulierungen sofort Halt machen. Die geplante Saatgutverordnung der EU sorgte dementsprechend für große Aufregung in der Bevölkerung, da diese das Aus für alte und seltene Sortenraritäten und eine Förderung von Konzern-Hybrid-Saatgut oder sogar Gentech-Pflanzen bedeutet hätte. Zahlreiche Unterschriftenaktionen, darunter auch von Global2000 und dem Verein Arche Noah wurden den Regierungsvertretern übergeben. Im Jänner gab es dann endlich Grund aufzuatmen, denn die geplante Verordnung wurde in Straßburg von einer Mehrheit von 511 gegen 130 Stimmen abgeschmettert. Das bedeutet aber leider nur, dass die Saatgutverordnung wieder zurück an den Start geschickt wird. In irgendeiner Form wird sie also früher oder später erneut auftauchen.

Dieses Beispiel ist exemplarisch für das, was uns in den kommenden Monaten und Jahren bevorsteht. Wer das Saatgut kontrolliert, der kontrolliert die Lebensmittelproduktion, damit die Lebensmittel und damit wiederum die Menschen selbst. Saatgut und Nahrungsmittel im Allgemeinen sind also der absolute Schlüssel zur Macht. Besonders multinationale Konzerne beschäftigen sich bereits seit Jahrzehnten damit und ihre Gier nach größerem Wachstum und damit nach noch mehr Macht wächst.

Es geht um unsere Zukunft

George Orwell oder Aldous Huxley hätten es nicht besser in Szene setzen können: Totalüberwachung und Regierung der Konzerne über die Politik, ohne dass es der breiten Masse auffällt. Gerade als Gärtner hat man einen direkten Draht zu Pflanzen. Deshalb tut es mir sehr weh zu sehen, dass Großkonzerne Pflanzen und Lebewesen im allgemeinen als reine Wirtschaftsgüter ansehen. Pflanzen werden genetisch verkümmert und zu Hybriden gekreuzt, deren Nachkommen degenerierte und schwache Sprosse sind. Wissenschaftler schießen mit Genmaterial auf Pflanzen um an ihrem Erbgut zufällige Vereinigungen zweier unterschiedlicher Spezies hervorzurufen. Saatgut wird normiert und muss Zulassungsverfahren durchlaufen. Früchte müssen gleichzeitig reif werden und uniform gedeihen.

Demo-Schild mit der Aufschrift: Save Bees and Seeds!

 

Wer wirklich naturverbunden ist, dem fällt auf, dass all das nicht mehr natürlich ist und wer einen Garten sein Eigen nennt, der erkennt auch, dass Saatgutregulierungen die Vielfalt einengen und dass Gentechnik nicht kontrollierbar sein kann. Die Natur findet ihren Weg und wir Menschen verstehen von den komplizierten Prozessen noch so wenig, dass unser Handeln und Schaffen lediglich an der Oberfläche der Dinge kratzt. Wir können zu Selbstversorgern werden und noch so abgeschieden leben − keine Barriere wird es verhindern, dass unsere Pflanzen mit Industriezüchtungen oder gar gentechnisch verändertem Erbgut verunreinigt werden. Wir können uns nicht einfach heraushalten und abwarten, wir Gärtner sind in die Defensive gedrängt worden und haben nur noch zwei Möglichkeiten: Wir können stillschweigend kapitulieren oder wir können Handeln.

Der Ausverkauf an die Konzerne

Wir befinden uns inmitten zahlreicher Verhandlungen zur Bildung von Freihandelszonen zwischen der EU und anderen Staaten der Erde, doch kaum einer weiß das auch. Seit 1. August 2013 gibt es ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien. Derzeit befindet sich die EU mit China in Verhandlungen und besonders viel Aufregung erzeugt das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP).

Freier Handel?

Freier Handel klingt zuerst einmal sehr gut, doch was dahinter steckt kann erschreckend sein. Dabei ist es nicht einfach, an Informationen über das Verhandelte zu gelangen, denn die Verhandlungen laufen im Geheimen ab. Klar ist, dass die USA Zugeständnisse machen müssen, wenn sie Konkurrenz von Außen zulassen. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass auch die EU Zugeständnisse machen müsste. In der EU sind Verbraucherschutz, Lebensmittelstandards, Sicherheitsstandards etc. weitaus höher als in den Vereinigten Staaten − „unvernünftig hohe Standards“, wie es Stuart E. Eizenstat, ein US-Industrielobbyist und ehemaliger US-Botschafter bei der Europäischen Union in einem TV-Interview des Bayerischen Rundfunk erklärte. So also ist die amerikanische Sicht der Dinge. Kürzlich war der amerikanische Landwirtschaftsminister Tom Vilsack zu Gesprächen in Europa, wo er auch folgendes verlautbarte: „ohne wirklich überzeugende Zugeständnisse der Europäer im Bereich Landwirtschaft“ werde es „sehr schwierig“, sich auf ein Abkommen zu einigen (Quelle: Die Zeit, 26.06.2014).

Senkung der Standards: Von Hormonfleisch bis Gentechnik

Während der Verhandlungen zum TTIP bekommt man immer wieder Informationen, dass es den Konzernen auch um die Senkung der Lebensmittel-Standards sowie um die Lockerung von Umweltschutz- und Tierschutzgesetzen geht. Nicht gekennzeichnetes, mit Chlor desinfiziertes Hühnerfleisch in Fertigprodukten und Hormonfleisch sowie mit Eiter und Antibiotika verseuchte Milch hormon-behandelter Milchkühe sind nur ein kleiner Teil der Probleme, um die es hier geht. Auch die Sicht zum Thema Gentechnik ist in den USA weitaus freizügiger als in der EU.

Bereits jetzt bekommt man in Österreich und Deutschland kaum noch Fleisch und Produkte von Tieren, die nicht mit gentechnisch verändertem Soja gefüttert wurden. Erst kürzlich wurden die EU-Regulierungen zur Kontrolle von gentechnisch kontaminiertem Saatgut gelockert.

Wirtschafts-Lobbyisten: Blutsaugende Zecken am Puls der EU

Spätestens Anfang 2015 sollen die Unterschriften unter das Abkommen gesetzt werden, bis dahin ist noch Zeit um unsere Richtlinien und Gesetze zu lockern. Durch Lobbyisten wird zum Beispiel bereits Werbung für die Vorteile von gechlortem Hühnerfleisch gesät.

Damit die Verhandlungen nicht ins Stocken geraten, werden EU-Abgeordnete sogar dazu gedrängt, Konzern-freundlicher abzustimmen. Rund um die Regierungszentren der EU, also in Brüssel und Straßburg entstanden richtige Lobbyisten-Stadtviertel in denen sich Vertreter unterschiedlicher Konzerne und Industrieverbände konzentrieren. Die Nähe zu den Politikern ermöglicht den Konzernen hohe Einflussnahme. Die Interessen der Lobbyisten liegen klar auf der Hand: Größtmögliche Effizienz und Gewinnmaximierung sowie Erweiterung der Märkte.

Investorenschutzklausel

Das Transatlantische Freihandelsabkommen ist das ultimative Mittel um viele Punkte von der Automobilindustrie über Arbeitsbedingungen und Löhne bis zu Landwirtschaft und Umweltschutz auf einen Schlag abzuhaken. Der Schlüssel zum Erfolg der Konzerne ist dabei die sogenannte Investorenschutzklausel. Diese Klausel ermöglicht es Konzernen, denen zum Beispiel durch staatliche Regulierungen Gewinne entgehen könnten, diese möglichen Verluste über ein Schiedsgericht (also nicht über ein staatliches Gericht) unter Ausschluss der Öffentlichkeit einzuklagen. Beispiele für solche Klagen gibt es bereits, wie zum Beispiel den Energieriesen Vattenfall, der den deutschen Staat wegen des geplanten Ausstiegs aus der Atomenergie um 3,5 Milliarden Euro erleichtern will.

Transparent mit der Aufschrift: TTIP - Stoppt das Freihandelsabkommen EU-USA. Stopp den Geheimverhandlungen. Schützt die parlamentarischen Rechte!

 

Mit dem TTIP soll ebenfalls eine solche Klausel eingeführt werden, denn erst damit macht das Freihandelsabkommen für amerikanische Unternehmen einen Sinn. Geklagt könnte dann wegen vielen europäischen Regelungen werden, wie zum Beispiel wegen der strengeren Arbeitnehmer-Schutzgesetze oder wegen des österreichischen 13. und 14. Gehalts. Umgekehrt haben aber auch US-Amerikaner Vorbehalte, denn die europäische Tabbak- und Alkohol-Industrie könnte die USA wegen deren strenger Bestimmungen und hoher Mindestalters-Grenzen verklagen.

Wer genießt die Vorteile des TTIP?

Die Vorteile des Freihandelsabkommen sollen laut den Befürwortern riesig sein, doch sieht man sich die Zahlen an, so geht der wirtschaftliche Effekt des TTIP für den Großteil der Bevölkerung, aber auch für die Staaten selbst voraussichtlich gegen Null. Der Gewinn liegt ganz klar bei den internationalen Unternehmen. Den Schaden müssten Arbeitnehmer, kleine und mittlere Unternehmen einstecken.

Jeder von uns muss aktiv oder gar Aktivist werden

In wenigen Monaten soll das Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichnet werden. Wir haben also bis voraussichtlich Frühjahr 2015 Zeit um noch etwas gegen diese Bedrohung zu unternehmen. Im Netz und auch auf Papier gibt es zahlreiche Listen und Petitionen, die man unterzeichnen kann. Wir GartenGnome fürchten aber, dass das kaum ausreichen wird, denn die Gier der Unternehmen hat schon längst auch unsere Politiker erreicht. Wir müssen also auch selbst zu Aktivisten werden, Präsenz bei Kundgebungen und Demos zeigen und sollte es zu einer Volksabstimmung kommen, hingehen und mit NEIN abstimmen.

Die GartenGnome vor dem Österreichischen Parlament

Die GartenGnome bei der KonsumRevolution-Kundgebung am 24. Mai 2014 vor dem Österreichischen Parlament in Wien.

Wir GartenGnome sind bereits in Wien und Niederösterreich aktiv geworden und leisten auch im Internet bereits seit längerer Zeit viel Arbeit, um die Gefahren des TTIP publik zu machen. Der GartenGnom selbst ist üblicherweise ein eher unpolitisches Medium, doch in diesem Fall ist uns die Sache so wichtig, dass wir eine Ausnahme machen. Zudem wollen wir hier keine Parteien unterstützen oder anklagen, sondern eine Fehlentwicklung in der EU aufzeigen.

Hier findet ihr weitere Informationen und Petitionen zum TTIP: